Thyssen-Bornemisza Art Contemporary. Sammlung als Aleph
6. März–26. Oktober 2008 | Kunsthaus Graz

Los Carpinteros – Cama, 2007
Carsten Höller – Y, 2003
Ausstellungsansicht: Thyssen-Bornemisza Art Contemporary. Sammlung als Aleph, Kunsthaus Graz, Austria 2008
Photo : Jen Fong
Tracey Emin
Thomas Struth
Thomas Ruff

Die Ausstellung Thyssen-Bornemisza Art Contemporary. Sammlung als Aleph präsentiert Arbeiten aus dem Bestand der Stiftung im Kunsthaus Graz. Die von Adam Budak (Kunsthaus Graz) und Daniela Zyman (TBA21) gemeinsam kuratierte Ausstellung ist durch ein vom Wiener Architekturbüro the nextENTERprise (Marie-Therese Harnoncourt und Ernst J. Fuchs)  gestaltetes Raumkonzept inszeniert, das räumlich und sammlungsspezifisch neue Lesearten und Bezüge herstellt und Handlungsräume öffnet. Die Sammlung, die nicht zuletzt die Sammlerpersönlichkeit Francesca Thyssen-Bornemisza reflektiert, erlangte internationales Renommee durch die Realisierung experimenteller Projekte, die die Grenzen der Disziplinen zu überwinden versuchen und dabei produktive Spannungsverhältnisse aufbauen. In Reaktion auf ein Produktionsumfeld, das Recherche, kontext-spezifische Fragestellungen, Performativität und Display in den künstlerischen Prozess integriert, wird die Evaluierung des sammlerischen Kontexts im Kunsthaus Graz wieder neu definiert.
 
Thyssen-Bornemisza Art Contemporary. Sammlung als Aleph bezieht seinen Ausgangspunkt aus der vergleichenden Lektüre des komplexen literarischen Œuvre des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges. Borges’ konzeptionelle und narrative Landschaft dient dabei als Methodologie, um eine Sequenz potentieller Narrative (und Fiktionen) zu erstellen. Diese werden – basierend auf der Sammlung Thyssen-Bornemisza Art Contemporary – gleichsam en abîme in einem kollektiven Archiv des visuellen Imaginären fortgeschrieben. Innerhalb dieses (labyrinthischen) Kontexts nimmt die Sammlung die Form eines von Borges’ enigmatischsten Symbolen auf: Aleph – der Punkt, der alle Zeiten und Orte des Universums beinhaltet, eine abstrakte und gleichzeitig konkrete Sphäre, die diese umfasst. Da Aleph die Unendlichkeit figuriert, kann es mittels „normaler“ Wahrnehmung nicht erfasst werden; jedoch kann jeder, der einen Blick in dieses Universum wirft, alles gleichzeitig aus jedem Blickwinkel wahrnehmen, ganz ohne Verzerrung, Verwirrung oder Überlappung. So gesehen wird die Sammlung zum Modell, zu einer Primärstruktur, die sich in einer zirkulären Choreographie aus Fiktion und Realität in die Unendlichkeit auffaltet.
 
Darüber hinaus wird eine von Borges’ Lieblingstropen, structure en abîme, als narrative Metapher und rhizomatischer Apparat verräumlicht: Die strukturelle (und symbolische) Unendlichkeit der Architektur des Kunsthaus Graz verbindet sich hier also mit dem Versuch, (mental) durch die zeitlichen und räumlichen Ebenen der TBA21 Sammlung zu navigieren.

Structure en abîme gehörte zu den von Borges bevorzugten visuellen Bildarrangements: Als narrative Struktur, als Trope und als räumliches Modell stellt sie die philosophische Frage nach Unendlichkeit und unendlich periodischen Wiederholungen; indem sie den Raum barock organisiert, wird eine Ordnung etabliert, die in sich selbst ein visuelles Paradox darstellt. Gemäß dem Prinzip der unendlichen Inklusion verändert sie unseren Glauben an die Wahrheit unserer Wahrnehmungen und etabliert eine Spannung zwischen dem, was logisch erfasst und dem, was konkret, materiell und durch die Sinne empfunden werden kann. Sie ist endlos, wie ein gut konstruiertes Labyrinth, und richtet sich – ebenfalls wie ein Labyrinth – gegen die unmöglich zu erkennende Ordnung der Welt, die konzeptuelle Ordnung der Trope, die die unvollständigen und „realistisches“ Denken fördernden Vorstellungen korrigiert. Die Vorstellung einer unendlichen Zirkularität findet man sowohl in Labyrinthen als auch in Spiegeln und in Träumen, die andere Träume oder den Träumenden beinhalten.
 
Die Ausstellung Thyssen-Bornemisza Art Contemporary. Sammlung als Aleph ist innerhalb der Sequenz potentieller Strukturen und möglicher Fiktionen organisiert: Von Fragen, die sich mit Identitätsprinzipien und der mäandernden Bewegung der Autorenschaft durch die Paradoxa der Sprache und Raum-Zeit-Konfluenzen auseinandersetzen, bis hin zu den Verbindungen zwischen Universum und Utopie, Realität und Fiktion, Spiegel und Enzyklopädie … Die Ausstellung betont also eine prozessuale Lesart der Praxis des Sammelns als Tätigkeit(en), innerhalb derer Kombinationen und Permutationen von Arrangements ständig neue Bedeutungen, Kontexte und Beziehungen zwischen Kunstwerken schaffen. Sie gliedert sich in drei, in sich wiederum in multiple Re-Arrangements unterteilte narrative Kapitel. Diese Kapitel werden in Abfolge von jeweils zwei Monaten Dauer inszeniert und innerhalb eines vom Wiener Architekturbüro the nextENTERprise (Marie-Therese Harnoncourt und Ernst J. Fuchs) entwickelten Szenarios dramatisiert. Die Architektur bezieht den Ausstellungsraum räumlich als einen inversen Horizont ein, wobei sie durch die Mittel des Entfernens und der fraktalen Sicht sowie der Aktivierung der Erinnerungs- und Vorstellungskraft, die das Allerinnerste des Aleph bilden, sowohl Endlosigkeit als auch Simultaneität verstärkt.
 
 
dauer
6. März–26. Oktober 2008
Ort
Kunsthaus Graz
Kuratoren
Adam Budak (Kunsthaus Graz) und Daniela Zyman (TBA21)
Künstler
Phase 1: März–April 2008
Haluk Akakçe, Fiona Banner, Olafur Eliasson, Tracey Emin, Douglas Gordon, Florian Hecker, Carsten Höller, Jim Lambie, Los Carpinteros, Sarah Lucas, Paul McCarthy, Jason Rhoades, Catherine Sullivan, Heimo Zobernig

Phase 2: Mai–August 2008
Darren Almond, Fiona Banner, Tiago Carneiro da Cunha, Michael Elmgreen & Ingar Dragset, Iran do Espírito Santo, Isa Genzken, Jim Lambie, Jón Laxdal, Los Carpinteros, Sarah Lucas, Paul McCarthy, Ernesto Neto, Rivane Neuenschwander, Rivane Neuenschwander & Cao Guimarães, Olaf Nicolai, Thomas Struth, Do-Ho Suh

Phase 3: September–Oktober 2008
Kutlug Ataman, Monica Bonvicini, Janet Cardiff, Janet Cardiff & George Bures Miller, Olafur Eliasson, Michael Elmgreen & Ingar Dragset, Cerith Wyn Evans, Florian Hecker, Mathilde ter Heijne, Roger Hiorns, Jim Lambie, Sarah Lucas, Ján Mančuška, Sarah Morris, Olaf Nicolai, Raqs Media Collective, Matthew Ritchie, Thomas Ruff, Hans Schabus, Salla Tykkä
Unterstützt von
Wiener Städtische Versicherungsverein