Carsten Höller – LEBEN
11. Juli 2014–4. Jänner 2015 | TBA21–Augarten, Wien

Carsten Höller – LEBEN
Ausstellungsansicht: Carsten Höller – LEBEN, TBA21, Vienna 2014
Photo: Irina Gavrich, © Carsten Höller

Carsten Höllers Ausstellung LEBEN ist als experimenteller Parcours angelegt. Gezeigt werden Arbeiten aus der TBA21-Sammlung wie auch einige für die Ausstellung konzipierte und produzierte Arbeiten, die zu Interaktionen einladen, Stimmungen und Affekte hervorrufen und „orientiertes“ Handeln generieren. Als Erweiterung der Ausstellung wurde die ikonische Arbeit Y (2003) im Marmorsaal des Oberen Belvedere gezeigt. 

Surreal überdimensionierte, geteilte Pilze, ein Schwerelosigkeit simulierender Flotation-Tank, eine Uhr, die nur ausgewählte Zeitintervalle angibt, trauminduzierende Zahnpasta, und ein Bett, das auf eine Höhe von 3,5 Meter ausgefahren werden kann – all diese Arbeiten sind Teil von Carsten Höllers Ausstellung, um BesucherInnen eine andere Logik als die Alltägliche erfahren zu lassen. Aber um welchen Nutzen geht es, um welche Anwendbarkeit, wenn am Ende die neuen Regeln einer uns unbekannten Logik hauptsächlich Verwirrung zu stiften scheinen? Nur soviel scheint klar: Die von den BesucherInnen wahrnehmbaren Regeln beziehen sich auf die große Gemeinsamkeit des Am-Leben-Seins und auf das Wissen darum. Gleichzeitig bieten die als Werkzeuge gedachten Arbeiten die Möglichkeit, gerade alltägliche Aktivitäten (Schlafen, Baden) anders als gewöhnlich wahrzunehmen. Sie finden in einem Raum statt, welcher der utilitaristischen Logik nicht mehr zu obliegen scheint.
Das Aufzugbett (2010), zentrales Element in der Ausstellung, ist sowohl eine Einladung, ein Angebot als auch eine Installation. In Zusammenarbeit mit Sofitel Vienna Stephansdom kann es zu Nächtigungszwecken gebucht werden. Das Bett ist auf einer Plattform angebracht, auf verschiedene Höhen verstellbar (max. bis zu 3.5 Meter), und erlaubt es Gästen, über den anderen Werken emporragend in der Ausstellungshalle zu nächtigen. Vor dem Schlafengehen steht die trauminduzierende Zahncreme Insensatus Vol. 1 Fig. 1 zur Verfügung, die speziell von der Saint Charles Apotheke in Wien nach einer Rezeptur von Höller und dem Parfümeur Ben Gorham von Byredo zubereitet wurde. 

Das Wasser im Hohen Psychotank beinhaltet eine hohe Konzentration an Bittersalz. BesucherInnen können entkleidet – Nacktheit ist Voraussetzung – in den Flotation-Tank eintauchen und Schwerelosigkeit sowie ein sensorisches Gleichgewicht erfahren. Die Ausstellung wird begleitet und strukturiert durch die Halbe Uhr, eine neu entstandene Arbeit, die als zweckmäßige Zeitanzeige funktioniert, jedoch durch Über- und Unterrepräsentation von Zeiteinheiten ein Gefühl von abwechselnd hastender und extrem verlangsamter Zeit erzeugt. Über den Köpfen der ZuschauerInnen pfeifen gesangstrainierte Dompfaffen in zwei miteinander verbundenen Volieren der Gimpelwaage eine Melodie, die sich in den Soundtrack der Ausstellung fügt.

Die neu entstandene Filminstallation Fara Fara zeigt Castings und Proben für einen musikalischen Clash zwischen zwei Stars der kongolesischen Musikszene. Die Arbeit führt die Themen der Doppelung und Gegenüberstellung ein. Doppelung und Spaltung sind ebenso Motive der Arbeit Vienna Twins. Zwei eineiige Zwillinge führen eine gänzlich lineare und gleichzeitig verwirrende, gesungene Unterhaltung über das Gleiche und sein Gegenteil.

Im Augarten Park wird das Moment der Teilung in den Giant Multiple Mushrooms aufgegriffen. Zwei überdimensionierte Pilze, einer im jungen und einer im erwachsenen Stadium, die aus vier geteilten Pilzkörpern zusammengesetzt sind, begründen ein surreales Moment.
Als Erweiterung der Ausstellung und besondere Dopplung wurde die ikonische Arbeit Y (2003), ein mit einem scheinbar unendlich gespiegelten Lichterring ausgestatteter Laufsteg, in Zusammenarbeit mit dem Belvedere im Marmorsaal gezeigt. 

Mit der Ausstellung LEBEN werden TBA21–Augarten und der umliegende Park zum Ort für Experimente des Lebens selbst, zu einem Feld des gemeinsamen Handelns und der geteilten Verantwortung. Die Exponate sind als Laborgeräte gedacht, als ungesättigte Kunstwerke, die erst durch Aktivierung der BesucherInnen vollständig werden und neu-logische Erfahrungen der Aktivitäten des Lebens ermöglichen.

Der Werdegang Carsten Höllers ist ein denkbar ungewöhnlicher: Als Student der Agrarwissenschaft habilitierte er in Phytopathologie mit einer Arbeit über Geruchskommunikation zwischen Insekten. Schon während seiner naturwissenschaftlichen Arbeit begann er seine Künstlerlaufbahn, indem er Experimente als wissenschaftliche Vorgehensweise auch in künstlerischen Arbeiten umsetzte. 1993 nahm er erstmals an der Biennale in Venedig teil, im Rahmen derer er 2005 gemeinsam mit Miriam Bäckström den schwedischen Pavillon bespielte. Als weitere wichtige Stationen seien hier die Expo 2000 in Hannover (mit Rosemarie Trockel), die Rutscheninstallation Test Site in der Tate Modern, London im Jahr 2006, die Präsentation des Revolving Hotel Room im Guggenheim, New York 2010, die Ausstellung „SOMA“ im Hamburger Bahnhof, Berlin im gleichen Jahr sowie „Experience“ im New Museum, New York 2011 genannt. Carsten Höller, 1961 in Brüssel geboren, lebt und arbeitet in Stockholm und Biriwa, Ghana.

Carsten Höller – Leben
Herausgegeben von Daniela Zyman, TBA21
Beiträge von Alfred Höller, Carsten Höller, Daniela Zyman

Sternberg Press, Berlin
2014, Englisch/Deutsch
14,8 x 29,7 cm, 96 Seiten, 5 s/w und 36 Farbabb., Spiralbindung
ISBN 978-3-95679-080-5
€34.00
katalog
Carsten Höller – Leben
Herausgegeben von Daniela Zyman, TBA21
Beiträge von Alfred Höller, Carsten Höller, Daniela Zyman

Sternberg Press, Berlin
2014, Englisch/Deutsch
14,8 x 29,7 cm, 96 Seiten, 5 s/w und 36 Farbabb., Spiralbindung
ISBN 978-3-95679-080-5
€34.00
11. Juli 2014 –4. Jänner 2015
Dauer
11. Juli 2014 –4. Jänner 2015
 TBA21–Augarten, Scherzergasse 1A, 1020 Wien
ort
 TBA21–Augarten, Scherzergasse 1A, 1020 Wien
Daniela Zyman
Kuratiert von
Daniela Zyman
Freier Eintritt
Wiener Städtische Versicherungsverein
mit Unterstützung von
Wiener Städtische Versicherungsverein