Mit Das Schloss des Sommerlandes des isländischen Künstlers Ragnar Kjartansson lanciert Thyssen-Bornemisza Art Contemporary–Augarten eine facettenreiche Erweiterung der interdisziplinären Aktivitäten der Stiftung. Das Schloss des Sommerlandes markiert zudem eine weitere Etappe in dem fortlaufenden Produktionsprozess aus Auftragsarbeit, Recherche und Performance zwischen Kjartansson und TBA21, für die die im Frühjahr 2013 gezeigte Ausstellung The Visitors den Anfang und den konzeptuellen Hintergrund lieferte. Das Schloss des Sommerlandes ist eine Verbindung aus Langzeit-Performance, Filmproduktion, Bühnenspiel und dem kreativ-geselligen Zusammentreffen von siebzehn Freunden, MusikerInnen und Gleichgesinnten sowie der Dekonstruktion und waghalsigen Rekonstruktion des Romans Weltlicht von Halldór Laxness, ein Meilenstein isländischer Literatur, wobei die Grenzen und der Spielraum von Kjartanssons künstlerischer Praxis ein weiteres Mal aufs Neue definiert werden.
„Dichter zu sein bedeutet, bis zum Tod als Gast an einer fernen Küste zu leben.“ Halldór Laxness
Eine megalomane Reise in die Seele einer Generation
Vom 3. bis zum 27. April leben und spielen Ragnar Kjartansson und eine Truppe von MusikerInnen, SchauspielerInnen, KostümdesignerInnen, mit seinem Kameramann und der technischen Mannschaft durchgängig in den Ausstellungsräumen des Augartens und verwandeln diese so in ein lebendiges Atelier, eine Kunstfabrik und ein Set für die filmische und theatralische Adaption des epischen Romans Weltlicht (Heimsljós) des isländischen Autors und Nobelpreisträgers Halldór Laxness.
Das Schloss des Sommerlandes ist eine meisterliche Annäherung von Liveauftritt, Literatur, Musik, Film und Installation – eine manische Reise in die Seelen von Generationen von isländischen KünstlerInnen: alles unter dem Deckmantel eines laufenden Filmdrehs. Kjartansson beschreibt sein Projekt als „schier größenwahnsinnige Gralssuche“, mit der Absicht, Schönheit, Kunst, Gefühl und nichts weniger als dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen. Diese Suche nach dem Unmöglichen wird zur Aufgabe aller ProtagonistInnen: sie muss unternommen, erfüllt, gelebt werden.
Ein Epos zum Budget eines Softpornos
Laxness verfasste Weltlicht zwischen 1937 und 1940. Das Schloss des Sommerlandes, benannt nach dem zweiten Teil des Romans, kreist um das tragische und verhängnisvolle Schicksal seines Protagonisten, des folkloristischen Dichters Ólafur Kárason, dessen Suche nach dem reinen Schönen und nach künstlerischer Anerkennung schließlich auch sein Untergang ist.
Diese Geschichte hat meine Herangehensweise an die Kunst mehr beeinflusst als irgendetwas sonst… sie hat meiner ganzen Weltsicht Farbe gegeben. Weltlicht ist ein Epos über den Künstler, eine ironische Geschichte über Schönheit und künstlerische Integrität, geschrieben im Schmelztiegel der Moderne, eine Ode an die Schönheit und eine Dekonstruktion ihrer selbst. Der Roman spricht ein Kernproblem des 21. Jahrhunderts an: die Politik der Schönheit. Die Ausstellung besteht aus dem Prozess des Filmens von Szenen aus dem Roman, die den utopischen künstlerischen Moment, die Suche nach Perfektion, und die finale romantisierte Aufopferung für die Kunst zeigen. Der Augarten wird so zu einem Studio im Fellini´schem Stil, einer chaotischen Fabrik, in der eine Geschichte über Schönheit gebaut, gespielt, gefilmt wird. Wir machen keinen Film, wir tun so, als würden wir einen Film drehen, ähnlich wie in Paul Austers Das Buch der Illusionen“, so Ragnar Kjartansson.
Die BesucherInnen der Ausstellung werden zu unterschiedlichen Zeiten ZeugInnen verschiedenster Situationen, eines Work-in-Progress: die ganze Truppe, mitten in einer Probeaufführung, Kjartansson und sein Vater beim Filmen, MusikerInnen beim Einspielen eines Songs des Komponisten und ehemaligen Sigur Rós-Bandmitglieds Kjartan Sveinsson, die Produktion von Sets, Kostümen und Requisiten. Der gesamte Produktionsprozess vor der Kamera und hinter der Szene wird offengelegt. „Hier entsteht eine Manufaktur, in der wir eine unmöglich große Geschichte über die Schönheit konstruieren, spielen und filmen. Das Drama ist vor Ort. Wir machen ein Epos zum Budget eines Softpornos, umgeben von ZuschauerInnen. Eine hoffnungslose Aufgabe. Ein echtes Desaster.“
Die Film- bzw. Theatersets sind im Anschluss an die Performance vom 30. April bis zum 8. Juni als Teile der groß angelegten Ausstellung im Augarten zu besichtigen.