ephemeropteræ 2017/#4 – Nicola Masciandaro | Joan Jonas

Joan Jonas, Oceans - Scetches and notes, Kochi Convening#2, India, Photo: Francesca von Habsburg, 2016

In „drØwn yØurself in this Øcean of lØve“ zitiert der amerikanische Autor und Philosoph Nicola Masciandaro die im 13. Jahrhundert wirkende Dichterin und Mystikerin Hadewijch: „Der Abgrund, in den sie mich schickt / Ist tiefer als das Meer.“ Auf poetische, assoziative Weise folgt er den Erläuterungen zum mystischen Meeresschlund, dem submarinen Prosimetrum dazu, von etwas verschluckt zu werden, was näher als der eigene Atem ist, der sinkenden Suche in den tiefsten Strudel der Verwunderung.

Joan Jonas’ Lecture-Performance schöpft aus einem reichen Fundus an Materialien, aus Literatur und Mythologie sowie eigenen Zeichnungen und Notizen, in denen sie dem Meer als „poetischem und natürlichem Gebilde, als Totem“ nachspürt, „als Quelle des Lebens und Heimat eines Universums von Wesen“. Indem sie sich entlang der Projektionen bewegt oder ein langes Stück Papier vor den Körper hält, wird die ganz in Weiß gekleidete Künstlerin selbst zur Leinwand und Oberfläche. Jonas’ Praxis entwirft kreisförmige Bahnen, in denen ihre Arbeiten oftmals transitorische Zonen besetzen: Auch wenn sie ursprünglich als Video, Performance oder Installation entstanden, werden sie in andere Medien übersetzt und neu inszeniert. Indem sie über sich hinauswachsen und gleichzeitig auf sich zurückgeworfen werden, erlangen sie eine traumartige Qualität. Filmische Unterwasseraufnahmen – von Jean Painlevés Schwarzweißsequenzen bis hin zu Aufnahmen von Aquarien – werden dichterisch und assoziativ mit Passagen aus Herman Melvilles Moby Dick, Sy Montgomerys Soul of an Octopus (dt. Rendezvous mit einem Oktopus) und Italo Calvinos The Aquatic Uncle (dt. Der Onkel im Wasser) verwoben.


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Nicola Masciandaro
ist ein Philosoph am CUNY Brooklyn College, New York, Schriftsteller und leidenschaftlicher Alpinist. Seiner Arbeit zugrunde liegt ein spekulativer Medievalsimus (Insbesondere mittelalterliche Lietratur), mit einem Schwerpunkt auf den Aufstieg des Individuums, Mystizismus, Ikonologie, Dämonologie, “black ecology” und Black Metal Theory. Er veröffentlichte mehr als 20 Publikationen (davon sind viele online frei zugänglich, zB „Decapitating Cinema”, „Metal Studies and the Scission of the Word“, „Unknowing Animals“, „Non potest hoc corpus decollari: Beheading and the Impossible“, „Exploding Plasticity“, „Getting Anagogic”, „Sacer”). Er ist der Kodirektor von Punctum Book, und ständig aktiv auf Twitter.
http://thewhim.blogspot.co.at

Joan Jonas’ Arbeiten – ob ursprünglich als Video, Performance oder Installation konzipiert – existieren häufig im Übergang, wenn sie in andere Medien übersetzt werden. So produziert ihre künstlerische Praxis einzigartige Trajektorien, denen durch zeitliche Überlagerungen eine traumartige Qualität innewohnt. Die Ozeane sind ein wiederkehrendes Thema in Jonas aktuellen Arbeiten, u.a. ihrem Beitrag „They Come to Us without a Word“ (2015) für den US Pavillon der 56. Venedig Biennale – eine vielschichtige ambiente Installation, die die spirituellen Aspekte der Natur durch Video, Zeichnungen, Objekt und Sound beschreibt – sowie ihre Performance beim zweiten Convening der TBA21–Academy in Kochi.
 
23. Juni 2017 um 19:30 Uhr
wann
23. Juni 2017 um 19:30 Uhr
TBA21–Augarten, Scherzergasse 1A, 1020 Wien
ort
TBA21–Augarten, Scherzergasse 1A, 1020 Wien
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mit freundlicher Unterstützung von
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